Vom Bauernhof über Umwege in die Pflanzenforschung
Postdoktorandin Christina Müdsam: Vom Bauernhof über Umwege in die Pflanzenforschung
Dr. rer. nat. Christina Müdsam hat einen Master of Science und forscht als Molekularbiologin am Lehrstuhl für Zellbiologie an Pflanzen. „Mein Arbeitsplatz auf dem Südgelände ist von so viel Grün umgeben, dass man sich allein deswegen schon wie eine stilechte Biologin fühlt“, schwärmt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie untersucht Abläufe und genetische Veränderungen in Pflanzenzellen. Auch wenn sie ihre Forschung an der FAU liebt, hadert die gebürtige Fränkin hin und wieder mit dem Mangel an unbefristeten Stellen und einer ungewissen Zukunft in der Wissenschaft. Davon will sie sich aber den Spaß und die Leidenschaft an der Forschung nicht nehmen lassen.
Mein Weg ins MINT-Fach
„Aufgewachsen bin ich auf einem Bauernhof. Aber nicht deswegen bin ich heute Biologin. Eigentlich wollte ich nach dem Abitur Krankenschwester werden, brach die Ausbildung aber ab. Und weil ich mich mit einem Studium nicht komplett festlegen, sondern ein bisschen Spielraum haben wollte, entschied ich mich fürs Gymnasiallehramt mit der Fächerkombination Biologie und Chemie. Meine damaligen Mitbewohner waren der Meinung, ich könnte gut erklären. Und ich dachte, wenn ich eines Tages merke, dass der Beruf der Lehrerin doch nichts für mich ist, kann ich noch ein Diplom dranhängen und gehe dann in die Wirtschaft. Nach der Zwischenprüfung fürs Lehramt fand ich den fachlichen Teil tatsächlich deutlich spannender, als die Vorstellung zu unterrichten. Aber nach sechs Semestern Studium an der FAU war der Sprung vom Lehramt in die Molekularbiologie eine Riesenhürde, weil mir meine bisherigen Studienleistungen nicht angerechnet wurden. Das war für mich die Gelegenheit für einen Auslandsaufenthalt. Ich ging an die University of Hull in England und erwarb dort in zwei Semestern den Bachelor in Pharmaceutical Science. Danach wollte ich Geld zusammenkratzen und ein wenig in der Gastronomie arbeiten, habe aber schnell gemerkt, dass mein Kopf etwas zu tun braucht: Also schrieb ich mich zwei Tage vor der Deadline für den Master in Molekularwissenschaften an der FAU ein. Wäre ich nicht ins Ausland gegangen, wäre ich wahrscheinlich nicht da, wo ich jetzt bin.“
Von Vertrag zu Vertrag
„Bisher hatte ich immer Glück: So fragte mich am Ende des Studiums mein späterer Chef und Doktorvater, ob ich Interesse an einer Promotionsstelle in seiner Arbeitsgruppe habe. Die Masterarbeit machte ich dann auch am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie. Letztendlich war es also ein glücklicher Zufall, dass ich dort gelandet bin. Fünf Jahre blieb ich dort, vor allem weil ich wenig Gründe dafür sah, in Rekordzeit fertig zu werden. Die Promotionsstelle in der Biologie war zwar nicht mega-lukrativ, zum Leben hat’s aber gereicht und es war mehr, als ich vorher je verdient hatte. Und der Job hat Spaß gemacht. Danach kam die Postdoc-Phase. Am Tag meiner Doktorprüfung hatte ich ein Angebot für eine Stelle am Lehrstuhl für Biochemie bekommen. Das Projekt, an dem ich dort gearbeitet habe, war klasse, obwohl oder weil ich viel dazulernen musste. Ich mag es, wenn die Lernkurve durch die Decke geht. Dann stand ich irgendwann vor dem Vertragsende. Und gerade als meine Laune deswegen auf dem Tiefpunkt war, hatte ich wieder wahnsinniges Glück. Und so vertrete ich jetzt eine Kollegin, die in Elternzeit ist, am Lehrstuhl für Zellbiologie in ihrem Projekt.“
Warum ich dennoch bei MINT geblieben bin
„Ich war noch nie der Karriere-Typ, ich muss nicht unbedingt Chefin sein. Ich weiß nicht mal, ob ich da sonderlich gut darin wäre. Ich muss mir auch keine goldene Nase verdienen. Bezüglich MINT: Ich beschäftige mich lieber mit Dingen, die irgendeiner Logik unterliegen, die man verstehen kann und für die es Erklärungen gibt, als mit aktuellen Stimmungen oder Meinungen. In der Naturwissenschaft muss man nichts einfach glauben oder hinnehmen – es gibt immer die Möglichkeit, zu hinterfragen und zu überprüfen. Ich hatte größtenteils freie Hand bei meiner Forschung und gleichzeitig tolle Menschen um mich – die richtigen Chefs und die richtigen Kolleg*innen. Anstatt einfach nur Aufträge und Anweisungen erteilt zu bekommen, bekam ich größtenteils Input, Feedback und konstruktive Kritik. Auch hörte ich ab und an den Satz: ‚Mädel, du gehörst einfach in die Forschung!‘“
Mal im Gewächshaus, mal am Schreibtisch
„Seit Beginn meiner Doktorarbeit war meine einzige fachliche Konstante die Pflanzenforschung. Hier gilt es, Prozesse zu optimieren, also den Ertrag von Nutzpflanzen beziehungsweise die Resistenz gegen Schädlinge oder Krankheiten. Wir arbeiten meistens an dem Modellorganismus auf diesem Gebiet – der Ackerschmalwand. Diese Arabidopsis thaliana ist für uns sowas wie für die Medizin die Maus. Nach der Doktorarbeit und vor meiner jetzigen Stelle war ich an einem Projekt über Zuckerrüben beteiligt und konnte auch Erfahrung in Sachen Bioinformatik sammeln. Bei meiner jetzigen Stelle ist das jedoch wieder in den Hintergrund geraten. Während der Promotion hatte ich die meiste Zeit im Labor oder am Mikroskop verbracht. Seitdem hat sich meine Arbeit mehr in Richtung Schreibtisch verschoben: Paper lesen, Paper schreiben, mit Projektpartner*innen kommunizieren, Zwischenberichte und Abschlussberichte schreiben, Arbeiten von Studis korrigieren, Organisationskram. Die letzten Wochen habe ich ein Praktikum betreut, davor auch Bachelor- und Masterstudentinnen und -studenten.“
Empfehle ich eine akademische MINT-Laufbahn? Ja, ABER …
„… klar solltet ihr eine akademische Karriere verfolgen, wenn ihr gern dazulernt, gern kritisch und analytisch denkt. Was die Biologie betrifft, kommt nun aber ein ABER. Ihr solltet euch ziemlich früh mit den Konsequenzen auseinandersetzen, die so eine Laufbahn vielleicht oder eher wahrscheinlich mit sich bringt und euch fragen, ob ihr das wollt oder zumindest damit klarkommt: Ein sicherer und fester Job? In vielen Fällen – Fehlanzeige! Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, wie viele Verträge ich bisher unterschrieben habe. Ich glaube, der längste lief eineinhalb Jahre. Aktuell weiß ich auch nicht mit absoluter Sicherheit, ob ich nächstes Jahr um die Zeit überhaupt noch einen Job habe. Die langfristige Planung wird schwierig, etwa eine Familie zu gründen oder ein Haus zu bauen, weil ich ja nicht mal weiß, ob langfristig genug Geld reinkommt, oder ob ich künftig dazu gezwungen bin, mir anderswo eine Stelle zu suchen. Und ob der Partner einen Ortswechsel mitmacht, ist die nächste Frage. Bei mir kommt hinzu: Meine Familie lebt hier und ich möchte am liebsten in der Region bleiben. Mein Plan B ist daher, wenn das mit der Uni nicht weitergeht, mir außerhalb eine Arbeit zu suchen.“